Die Energiewende braucht auch ein Umdenken im Verkehrsbereich

Der Mensch ist auf Mobilität angewiesen, um seine existenziellen Bedürfnisse zu befriedigen. Doch der Verkehr ist einer der ganz grossen Energiefresser. Er hält uns in Abhängigkeit von diktatorischen Staaten und ist der Topfeind des Klimas. Ist Elektromobilität ein Ausweg? Am «Tag der Sonne» sucht die Solarlobby Antworten.

Twike
Das Twike ist eigentlich ein Vorläufer des Elektrovelos und verbraucht je nach Fahrweise nur rund einen Siebtel so viel Energie wie ein gewöhnliches Mittelklasseauto. Dank Elektromotor und Tretunterstützung erreicht es Geschwindigkeiten von bis zu 85 Stundenkilometern. (Foto: Wikimedia)

Auf vielen Gebieten wurden in den letzten Jahren enorme Steigerungen der Energieeffizienz erzielt, namentlich beim Verbrauch von Gebäuden, im Dienstleistungssektor und bei industriellen Prozessen. Auch im Mobilitätsbereich wurden Fortschritte gemacht. Dennoch ist der Energieverbrauch im Verkehrsbereich kontinuierlich gestiegen und wächst ungebrochen weiter.

Der Grund: Die erzielten Einsparungen werden durch die wachsende Zahl von Fahrzeugen und grössere Tagesdistanzen egalisiert. Ausserdem fressen leistungsfähigere Motoren und schwerere Fahrzeuge einen Teil der Effizienzgewinne auf. Der sogenannte Rebound-Effekt zeigt sich nirgends so deutlich wie beim motorisierten Privatverkehr.

Der Verkehr ist ein Energiefresser

Dabei wäre gerade im Verkehrsbereich ein Umdenken nötig. In der Gesamtenergiebilanz der Schweiz ist die Mobilität mit 35,4 % des Konsums der grösste Verbraucher, noch vor Haushalten (28,4 %), Industrie (18,7 %) und Dienstleistungssektor (15,9 %). Besonders problematisch ist, dass die Energie zu 96 Prozent fossilen Ursprungs ist. 3,8 Millionen Liter klimaschädliche Treibstoffe werden in der Schweiz jedes Jahr verfahren.

Von den insgesamt 123,4 Milliarden Personenkilometern, die 2012 auf dem schweizerischen Strassen- und Schienennetz zurückgelegt wurden, entfielen rund drei Viertel auf den privaten motorisierten Strassenverkehr. Der Energieverbrauch dieser beliebtesten Mobilitätsoption von Familie Schweizer beträgt das 27-fache des Schienenverkehrs, pro Personenkilometer ist es knapp das siebenfache.

Seit 1970 hat sich die Zahl der jährlich gefahrenen Kilometer ungefähr verdoppelt, und der Trend ist ungebrochen. Die Siedlungsstrukturen haben sich an das Mobilitätsangebot angepasst: Gewohnt wird oben am Berg, gearbeitet in der nächsten Stadt, eingekauft auf der grünen Wiese. Ein wesentlicher Teil des Verkehrsaufkommens ist Zwangsmobilität, eine Folge fehlender Raumplanung.

Elektromobilität ist viel effizienter

Erdöl und Erdgas sind begrenzte, nicht erneuerbare Energieressourcen. Seit Jahren wird weit mehr davon gefördert, als neu entdeckt wird, das Fördermaximum, «Peak Oil» genannt, ist überschritten. Mit immer riskanteren Fördervorhaben, etwa in der Arktis, und neuen Methoden wie dem besonders umweltschädlichen Fracking wird alles unternommen, um den Rückgang der Fördermenge hinauszuschieben, denn er wird die Energiepreise explodieren lassen, wenn er eintritt.

Eine Hoffnung ruht auf der Elektromobilität. Tatsächlich liegt hier ein enormes Energiesparpotenzial, denn Elektromotoren sind ungleich effizienter als Verbrennungsmotoren. Würde die gesamte Schweizer Fahrzeugflotte auf Elektrobetrieb umgestellt, brauchte sie nur einen Achtel so viel Energie wie heute, nämlich etwa 10 Terawattstunden. Das sind 15 Prozent des Schweizer Stromverbrauchs (Zahlen der Schweizerischen Energiestiftung SES).

Doch auch die Elektromobilität hat einen Pferdefuss: Die benötigten Batterien sind teuer und können nur rund tausend Mal geladen werden. Sie benötigen seltene Rohstoffe. Experten gehen davon aus, dass der flächendeckende, weltweite Einsatz von Elektrofahrzeugen vor allem an der Verfügbarkeit von Rohstoffen scheitert.

Ein Umdenken ist nötig

Ein weiteres Problem für die Elektromobilität ist die Fahrzeugkultur. Sicherheitsüberlegungen und Komfortansprüche machen die Autos viel schwerer, als sie für die Erfüllung ihrer Aufgabe sein müssten. Das frisst viel Energie. Ideal wären leichte, energieeffiziente Fahrzeuge, für Sportliche auch gern mit Tretunterstützung, wie beispielsweise das Twike (siehe Abbildung). Doch der schicke Flitzer – übrigens eine Schweizer Entwicklung – ist ein Nischenprodukt geblieben. Wegen kleiner Stückzahlen ist ein Twike bis heute so teuer wie ein Mittelklassewagen.

Schliesslich ist auch die Bereitstellung der Energie ist ein Problem. Mit 5 Quadratmetern Solarmodulen beträgt die jährliche Ernte in der Schweiz rund 1000 Kilowattstunden Strom. Um die 10 Terawattstunden Strom mittels Sonnenenergie zu produzieren, würde eine Fläche von 50 Quadratkilometern Solaranlagen benötigt. Das ist zwar machbar. Aber wir brauchen auch Strom für andere Anwendungen.

Doch es gibt auch Hoffnung: Vier von zehn Fahrten dienen Freizeitzwecken. Und mehr als die Hälfte aller Wege sind kürzer als fünf Kilometer, liegen also in einer Distanz, die sehr gut mit eigener Muskelkraft bewältigt werden könnte – zum Wohle unserer Gesundheit und der Umwelt. Das grösste Sparpotenzial liegt im Verkehrsbereich nicht in technischen Lösungen, sondern im Überdenken unserer Gewohnheiten.

«Tag der Sonne» der solarlobby.ch im Markthof Nussbaumen
Am Samstag, 3. Mai, 9–13 Uhr